- Friedensnobelpreis 1982: Alva Myrdal — Alfonso García Robles
- Friedensnobelpreis 1982: Alva Myrdal — Alfonso García RoblesDie schwedische und der mexikanische Preisträger wurden für ihren beharrlichen Einsatz für die Abrüstung in mehreren internationalen Gremien ausgezeichnet.BiografienAlva Myrdal, * Uppsala 31. 1. 1902, ✝ Ersta (nahe Stockholm) 1. 2. 1986; Politikerin, Sozialwissenschaftlerin, Diplomatin und Schriftstellerin; 1949-55 Tätigkeit in verschiedenen UN-Organisationen, 1955-61 Botschafterin in Indien, 1962-73 Chefdelegierte Schwedens bei der Genfer Abrüstungskonferenz und im UN-Abrüstungsausschuss, 1966-73 Ministerin für Abrüstung.Alfonso García Robles, * Zamora (Michoacán) 20. 3. 1911, ✝ Mexiko 2. 9. 1991; Politiker und Diplomat; 1945 mexikanischer Delegierter bei der Gründungsversammlung der UNO, 1975/76 Außenminister, ab 1977 ständiger Vertreter Mexikos beim Abrüstungsausschuss der UNO.Würdigung der preisgekrönten LeistungAlfred Nobel war fest davon überzeugt, dass seine Dynamitfabriken künftige Kriege viel schneller beenden würden als sämtliche Friedenskonferenzen. In einem Brief an Bertha Freifrau von Suttner (Nobelpreis 1905) wagte er deshalb vor über 100 Jahren die Prognose: »An dem Tag, an dem sich zwei Armeen innerhalb einer Sekunde gegenseitig vernichten werden können, wird es die Hoffnung geben, dass alle zivilisierten Nationen ihre Streitkräfte auflösen und sich nie mehr in Kriegsabenteuer stürzen werden.« Diese Prognose ist leider nicht in Erfüllung gegangen — im Gegenteil: Die Kriege im 20. Jahrhundert entwickelten sich von regionalen zu verheerenden globalen Konflikten, die Millionen Todesopfer forderten.Wenn also auch durch moderne Waffen kein Frieden zu schaffen war, dann musste man den Forderungen der Pazifisten nachkommen, aus Schwertern Pflugscharen schmieden und versuchen, Kriege durch den Abbau des Waffenbestands und der Truppenzahl — durch internationale Abrüstung — zu verhindern.Die Kette der Friedens- und Abrüstungskonferenzen, die im 20. Jahrhundert stattfanden, ist daher lang. Sie reicht von den Haager Friedenskonferenzen (1899/1907) über die Genfer Abrüstungskonferenzen (1932-35/1962-69) bis zu den Tagungen über Abrüstungsfragen gegen Ende der 1990er-Jahre. Seit 1969 widmet sich eine Institution der UNO, der Abrüstungsausschuss oder die Abrüstungskonferenz, dieser wichtigen Aufgabe. Beide Friedensnobelpreisträger von 1982 gehörten als führende Vertreter ihrer Länder jahrelang dem Abrüstungsausschuss der UNO an.Falschspiel mit der AbrüstungDie Teilnahme an Abrüstungskonferenzen und öffentlich bekundete Friedensliebe auf der einen und die gleichzeitige massive Aufrüstung der Streitkräfte und das Spiel mit der Kriegsgefahr auf der anderen Seite passen eigentlich nicht zusammen. Zur selben Zeit, in der Regierungschefs und Regierungsvertreter in der Zeit von etwa 1950 bis 1970 über Sicherheit, Entspannung und Abrüstung verhandelten, wurden die Waffenkammern der Großmächte bis an den Rand gefüllt, und zwischen den Mitgliedsstaaten der NATO und denen des Warschauer Pakts kam es zu einem Rüstungswettlauf, wie ihn die Welt bis dahin noch nicht erlebt hatte. Schließlich besaßen die beiden Lager neben riesigen Mengen herkömmlicher Kriegswaffen auch Arsenale nuklearer Sprengköpfe, die zum so genannten Overkill ausreichten: Der Gegner und die gesamte Menschheit konnten nun mehrfach vernichtet werden. Alva Myrdal, die als Vertreterin Schwedens, eines der acht blockfreien Länder, in Genf an Abrüstungskonferenzen teilnahm, gab ihrem 16. Buch wohl deshalb den Titel »Falschspiel mit der Abrüstung: Wie die Vereinigten Staaten und Russland den Rüstungswettlauf begehen«. In zahlreichen weiteren Publikationen hat sich die Mitbegründerin des renommierten Friedensforschungsinstituts SIPRI (»Stockholm International Peace Research Institute«) kritisch mit Fragen des Friedens und der Abrüstung beschäftigt.Alva Myrdal wurde von einer ganzen Reihe nationaler und internationaler Organisationen mit Preisen ausgezeichnet, unter anderem erhielt sie 1970 gemeinsam mit ihrem Mann, dem Wirtschaftswissenschaftler Karl Gunnar Myrdal (Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften 1974), den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.Die beiden führten keine besonders glückliche Ehe. Von den privaten Problemen abgesehen, ruhte ihre Beziehung jedoch auf einem soliden ideellen Fundament. Zusammen mit ihrem Mann verfasste sie mehrere Bücher, in denen es unter anderem um Fragen der Bevölkerungs- und Sozialpolitik oder um den politischen Alltag in den USA ging, wo beide einige Jahre gelebt hatten. Auf Alvas Veröffentlichungsliste sind aber auch — besonders aus den 1930er- und 1940er-Jahren — Themen zu finden, die sich mit der Rolle der Frau im Alltag oder auch im Krieg beschäftigen.Sicherheit und Frieden für die Neue WeltIn Amerika, das in den Weltkriegen nur am Rande Kriegsschauplatz war, hatte das Thema Abrüstung nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst keinen hohen Stellenwert. Das änderte sich im September 1962, als amerikanische Aufklärungsflugzeuge auf der Insel Kuba, vor der Haustür der USA, sowjetische Raketenabschussrampen entdeckten. In den nächsten Wochen stand die Welt am Rand eines Atomkriegs. Diese so genannte Kubakrise hinterließ in Lateinamerika einen Schock, denn man musste erkennen, dass auch die Neue Welt zum Schauplatz des Kalten Kriegs geworden war.Alfonso García Robles, der bis dahin als Diplomat nur auf Seerechtskonferenzen eine wichtige Rolle gespielt hatte, wurde jetzt zum entschiedenen Befürworter der Abrüstung in Lateinamerika. An zwei Vertragswerken hat er maßgeblich mitgearbeitet: am Vertrag von Tlatelolco, der am 12. März 1967 in Mexiko-Stadt geschlossen wurde und Lateinamerika zur kernwaffenfreien Zone erklärte, sowie an dem am 1. Juli 1968 unterzeichneten Atomwaffensperrvertrag. Als Delegierter Mexikos setzte er sich zudem bei der Abrüstungskonferenz in Genf und bei den Sitzungen des UN-Abrüstungsausschusses für den weltweiten Abbau der Waffen- und Truppenbestände ein.Diese Verträge haben allerdings nur einen begrenzten Wert, so lange ihnen nicht alle Staaten der Erde beitreten, insbesondere jene, die wirtschaftlich und technisch in der Lage sind, selbst Atomwaffen herzustellen. Auch bei den herkömmlichen Kriegswaffen ist die Welt rund 20 Jahre nach der Verleihung des Friedensnobelpreises an Alva Myrdal und Alfonso García Robles von einer wirksamen Abrüstung noch weit entfernt. Die Jahresberichte des auf Initiative Alva und Gunnar Myrdals gegründeten schwedischen Friedensforschungsinstituts SIPRI zeichnen in dieser Beziehung ein pessimistisches Bild. Weder ist die Zahl der Kriege zurückgegangen (allein auf dem afrikanischen Kontinent wurden 1999 insgesamt 27 Kriege ausgetragen), noch wird das Ziel der Abrüstung konsequent verfolgt. Die weltweiten Rüstungsausgaben sind im Gegenteil am Ende der 1990er-Jahre um gut zwei Prozent auf mehr als 800 Milliarden Euro angestiegen. Vor allem in Afrika stellen die Militärausgaben eine schwere und wachsende wirtschaftliche Belastung dar, aber auch im Nahen Osten und in Südostasien machen die Waffenhändler ausgezeichnete Geschäfte.P. Göbel
Universal-Lexikon. 2012.